MARTIN BUBER

(8.2.1878 Wien – 13.6.1965 Jerusalem)

Biografie

Martin Buber ist ein österreichisch-israelischer jüdischer Religionsphilosoph. Er wächst in der heutigen Ukraine, damals noch K & K Monarchie, bei seinem Großvater auf, der ein Midrasch- und Chassidismusexperte war. Buber wächst vielsprachig auf und beherrscht folgende Sprachen: Deutsch, Jiddisch, Hebräisch, Französisch, Polnisch. Er studiert Philosophie, Germanistik, Kunstgeschichte, Psychiatrie und Psychologie in Wien, Leipzig, Zürich und Berlin. Seine Lehrer sind u. a. Wilhelm Dilthey und Georg Simmel. 1899 heiratet er Paula Winkler die selbst unter dem Pseudonym Georg Munk schreibt. Sie haben zwei Kinder, Rafael (geboren 1900) und Eva (geboren 1901).

1897 gründet er in Berlin eine zionistische Ortsgruppe und den „Verein jüdischer Studenten“. 1901 arbeitet er als Redakteur der Wochenzeitschrift „Die Welt“, das Zentralorgan der zionistischen Weltorganisation. 1902 beteiligt sich Buber an die Gründung des „Jüdischen Verlages“. Ab 1903 beschäftigt er sich intensiv mit dem Chassidismus und mit der Mystik von Meister Eckhart und Jakob Böhme. 1904 promoviert er mit einer Dissertation über Jakob Böhme und Nicolaus Cusanus (Nikolaus von Kues). 1905-1906 wohnt er als Lektor in Florenz. In der Folgezeit beginnt er Vorträge in Europa und Amerika zu halten. 1916 übersiedelt er von Berlin nach Heppenheim im Bundesland Hessen. Von 1916-1924 ist er der Herausgeber der Zeitschrift: „Der Jude – eine Monatszeitschrift“. In dieser Zeit fängt er seinen Hauptwerk Ich und Du zu schreiben an und lernt Franz Rosenzweig, einen Sprachforscher kennen. Zusammen mit ihm übersetzt er das gesamte Alte Testament von Hebräisch ins Deutsche. Er bekommt verschiedene Lehraufträge und Honorarprofessuren, zunächst an der Uni von Frankfurt, später in Jerusalem. Er unterrichtet u. a. jüdische Religion und Ethik. 1932 vor der Machtergreifung durch die Nationalsozialistische Partei muss er seine Professur niederlegen. Nach Errichtung einer Mittelstelle für jüdische Erwachsenenbildung muss er alle öffentlichen Betätigungen ablegen. 1936 flüchtet er nach Jerusalem, das bis zu seinem Tod, seine neue Heimat wird. Er ist Mitbegründer der Gruppe „Ichud, die auf einen binationalen Staat hinarbeitet und sich für den Frieden zwischen Israelis und Palästinenser einsetzt. Er bekommt im Laufe seines Lebens sehr viele Ehrenpreise verliehen, u. a. den „Goethe Preis der Universität Hamburg“ und den Friedenspreis des deutschen Buchhandels. 1957 hält er in Washington eine Vorlesung über Schuld und Schuldgefühle. 1958 stirbt seine Ehefrau. 1965, nach einem schlecht heilenden Oberschenkelbruch und einer Nierenbeckenentzündung stirbt er in Jerusalem.

Philosophie

Für Buber ist der fundamentale Bezug der Welt ein sprachlicher. Das wirkliche Leben befindet sich in der Begegnung zwischen Ich und Du. Es gibt auch eine Beziehung zwischen Ich und Es/Er/Sie. Die Ich-Es-Beziehung ist die normale, alltägliche Beziehung des Menschen zu den Dingen, die ihn umgeben. Der Mensch kann auch seinen Mitmenschen wie „Es“ betrachten und behandeln, kühl und distanziert. In der Ich-Du-Beziehung geht der Mensch in die Beziehung mit seinem innersten und gesamten Wesen ein. Für Buber ist aber die Begegnung mit dem anderen Menschen nur ein Abglanz der Begegnung des Menschen mit Gott. Ohne „Es“ kann der Mensch nicht selbständig leben, ohne „Du“ ist er kein Mensch. Ganz „Ich“ ist der Mensch erst, wenn es ihm möglich ist, den oder die Andere als Du anzusprechen. Gott begegnet man in der Zwischenmenschlichkeit. Gott ist überall da, wo Menschen zueinander in Beziehung stehen.

Der Urgrund des Glaubens ist für Buber die Urbeziehung zwischen Mensch und Gott, jene Beziehung zum ewigen Du, die keines Mittlers bedarf. Es gibt keine Aussage über Gott, die nicht gleichzeitig etwas über den Menschen aussagt. Exegese (Bibelauslegung, Interpretation) ist Hinhören, das gesamte Alte Testament ist für Buber ein Dialog zwischen Menschen und Gott, zwischen Moses, die Propheten und Gott. Bei der Übersetzung der Bibel, versuchen Buber und Franz Rosenzweig, ein jüdischer Sprachforscher, das hebräische Original nicht nur dem Inhalt, sondern auch seiner Form nach im Deutschen nachzubilden. Dies ist darin begründet, dass das Wort der Bibel eigentlich gesprochenes Wort, unmittelbare Ansprache an Zuhörende ist, deren Sprachgestalt nicht ohne Schaden preisgegeben werden kann. Eine große Rolle spielt die Gliederung des Textes in „natürliche, von den Gesetzen des menschlichen Atems regierte, sinngemäße geschlossene Sprechabsätze“, von denen jede eine „rhythmisch geordnete Einheit“ bildet.

Martin Buber hat sich nicht nur mit religiösen Themen beschäftigt, sondern auch mit psychologischen, politischen und pädagogischen Themen auseinandergesetzt. Er wurde zu einer Leitfigur für die Gestalttherapie und zu einer Inspirationsfigur in pädagogischen Fragen.

Zitate und Textauszüge

Gottesfinsternis

Die Zeiten der großen Probe sind die der Gottesfinsternis. Wie wenn die Sonne sich verfinstert und wüsste man nicht, dass sie da ist, würde man meinen, es gäbe sie nicht mehr, so ist es in solchen Zeiten. Das Antlitz Gottes ist uns verstellt und es ist, als müsste die Welt erkalten, der es nicht mehr leuchtet. Aber die Wahrheit ist, dass gerade erst dann die große Umkehr möglich wird, die Gott von uns erwartet, damit die Erlösung, die er uns zudenkt, unsre eigene Erlösung werde. Wir nehmen ihn nicht mehr wahr, es ist finster und kalt, als ob es ihn nicht gäbe, es erscheint sinnlos, zu ihm umzukehren, der doch, wenn er da ist, sich gewiss nicht mit uns abgeben wird, es erscheint hoffnungslos zu ihm durchdringen zu wollen. Ungeheures muss in uns geschehen, damit wir die Bewegung vollziehen. Aber wenn das Ungeheure geschieht, ist es die große Umkehr, die Gott erwartet. Die Verzweiflung sprengt das Verlies der heimischen Kräfte. Die Quellen der Urtiefe brechen auf.


Nähe

Ein Schüler fragte den Baalschem:
„Wie geht das zu, dass einer, der an Gott hängt und sich ihm nah weiß, zuweilen eine Unterbrechung und Entfernung erfährt?“
Der Baalschem erklärte: „Wenn ein Vater seinen kleinen Sohn will gehen lernen, stellt er ihn erst vor sich hin und hält die eignen Hände zu beiden Seiten ihm nah, dass er nicht falle, und so geht der Knabe zwischen den Vaterhänden auf den Vater zu. Sowie er aber zum Vater herankommt, rückt der um ein weniges ab und hält die Hände weiter auseinander, und so fort, dass das Kind gehen lerne.“

Wahrheit

Was bedeutet das, was die Leute sagen: „Die Wahrheit geht über die ganze Welt“
Es bedeutet, dass sie von Ort zu Ort verstoßen wird und weiterwandern muss.
(Rabbi Baruch)

Etwas Großes tun

Wenn ein Mensch etwas Großes in Wahrheit zu tun beginnt, braucht er nicht zu fürchten, dass ein anderer es ihm nachtun könnte. Wenn er es aber nicht in Wahrheit tut, sondern darauf sinnt, es so zu tun, dass keiner es ihm nachtun könnte, dann bringt er das Große auf die niederste Stufe herab, und alle können dasselbe tun.(Rabbi Pinchas)

Der Eilige

Der Berditschewer sah einen auf der Straße eilen, ohne rechts und links zu schauen. „Warum rennst du so?“ fragte er ihn.
„Ich gehe meinem Erwerb nach,“ antwortete der Mann.
„Und woher weißt du,“ fuhr der Rabbi fort zu fragen, „dein Erwerb laufe vor dir her, dass du ihm nachjagen musst? Vielleicht ist er dir im Rücken, und du brauchst nur innezuhalten, um ihm zu begegnen, du aber fliehst vor ihm.“

Gib und nimm

Die Lösung des Lebens ist: „Gib und nimm.“
Jeder Mensch soll ein Spender und Empfänger sein. Wer nicht beides in einem ist, der ist ein unfruchtbarer Baum.
(Rabbi Jizchak Eisik)

Götzenopfer

Man fragte Rabbi Bunam: „Was ist mit Götzenopfer gemeint? Es ist doch ganz undenkbar, dass ein Mensch einem Götzen Opfer darbringt!“
Er sagte: „So will ich euch ein Beispiel geben. Wenn ein frommer und gerechter Mann mit andern bei Tisch sitzt und würde gern noch etwas mehr essen, aber seines Ansehens bei den Leuten wegen verzichtet er darauf, das ist Götzenopfer.“

Die große Schuld

Die große Schuld des Menschen sind nicht die Sünden, die er begeht – die Versuchung ist mächtig und seine Kraft gering! Die große Schuld des Menschen ist, dass er in jedem Augenblick die Umkehr tun kann und nicht tut.
(Rabbi Bunam)

Die kommende Welt

Einmal war der Sinn des Baalschem so gesunken, dass ihm schien, er könne keinen Anteil an der kommenden Welt haben. Da sprach er zu sich: „Wenn ich Gott liebe, was brauche ich da eine kommende Welt?“

Wo wohnt Gott?

„Wo wohnt Gott?“
Mit dieser Frage überraschte der Kosker einige gelehrte Männer, die bei ihm zu Gast waren. Sie lachten über ihn: „Wie redet ihr! Ist doch die Welt seiner Herrlichkeit voll!“
Er aber beantwortete die eigene Frage: „Gott wohnt, wo man ihn einlässt.“

„Sodann aber verlangt es einen Mal um Mal, seinem Mitmenschen zu danken, selbst wenn er nichts Besonderes für einen getan hat. Wofür denn? Dafür, dass er mir, wenn er mir begegnete, wirklich begegnet ist; dass er die Augen auftat und mich mit keinem andern verwechselte; dass er die Ohren auftat und zuverlässig vernahm, was ich ihm zu sagen hatte; ja, dass er das auftat, was ich recht eigentlich anredete, das wohl verschlossene Herz.“

Hauptwerke

1923: Ich und Du

1926-1938: Die Schrift: 4 Bände (von Martin Buber und Franz Rosenzweig)

1928: Hundert chassidische Geschichten.

1948: Das Problem des Menschen

1906: Die Geschichten des Rabbi Nachmann.

Moses

1908: Legende des Baalschem

1963: Der Jude und sein Judentum

1950: Pfade in Utopia

Die jüdische Mystik

Mein Weg zum Chassidismus

Zu Bergsons Begriff der Intuition

1953: Reden über die Erziehung.

(Die meisten Bücher von Martin Buber erscheinen im Guetersloher Verlagshaus oder im Manesse Verlag, einem Verlag bei der Verlagsgruppe Random House Bertelsmanns).

Internetrecherchen

http://www.buber.de

http://www.buber-gesellschaft.de/

http://www.jafi.org.il

http://www.gestalt.de

Quellennachweis

Grabner-Haider, Anton: Die wichtigsten Philosophen. Marix Verlag, Wiesbaden, 2006. (Seiten: 218-221).

Was jeder vom Judentum wissen muss. Im Auftrag der Kirchenleitung der Vereinigten Evangelisch-Lutherischen Kirche Deutschlands. Herausgegeben von Kayales, Christina und Fiehland van der Vegt, Astrid. 9. völlig neu überarbeitete Auflage. Gütersloher Verlagshaus, Gütersloh, 2005.

Buber, Martin: Ich und Du. Reclam, Stuttgart, 1995.

Gedanken zur Philosophie Martin Bubers

Häufig wiederkehrende Wörter in seinem Hauptwerk Ich und Du sind Zwiefältig (Zweifach), Begegnung, Beziehung. Das Ich ist immer verbunden entweder mit einem Du oder mit einem Es. D.h. ich kann nie von mir sprechen ohne, dass implizit eine der beiden anderen dabei wäre.

„Die Welt als Erfahrung gehört dem Grundwort Ich-Es zu. Das Grundwort Ich-Du stiftet die Welt der Beziehung.“ (S.6)

Martin Buber, der versucht hat die Bibel so zu übersetzen, wie sie als mündliche Überlieferung auch entstanden ist, ist sicher ein großer Geist gewesen. Überhaupt bin ich von allen großen Geistern begeistert, egal ob Schriftsteller oder Philosophen oder auch Naturwissenschaftler. Jemand der seine gesamte Energie in einem Projekt investiert, ziel gerichtet auf etwas zusteuert, verdient meine uneingeschränkte Bewunderung. Buber versucht Gott als Gesprächspartner zu sehen, er projiziert Gott auch in den Menschen und sagt, dass in jeder Begegnung zum anderen Gott dabei, Gott mit enthalten ist. Der Dialog ist ihm wichtig, der Dialog mit Gott verhindert, dass wir Menschen überheblich werden.

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