LUDWIG FEUERBACH

(28.7.1804 Landshut (Bayern) – 13.9.1872 Rechenberg bei Nürnberg (Bayern))

Biografie

Feuerbach hat 4 Brüder und 3 Schwestern, die alle hoch begabt sind. Seine Eltern leben getrennt und er selbst bleibt in Obhut seines Vaters, eines renommiert Strafrechtsprofessors. Bereits im Gymnasium interessiert er sich sehr für religiöse Fragen, so dass er sogar beim örtlichen Rabbiner, Hebräisch-Unterricht nimmt.

Feuerbach beginnt 1823 in Heidelberg protestantische Theologie zu studieren, wechselt gegen den Willen seines Vaters im Jahre 1824 nach Berlin um Hegel zu hören und Philosophie zu studieren. Seine Begründung für den Wechsel vom Theologiestudium zum Philosophiestudium ist folgende: „Palästina ist mir zu eng; ich muss in die weite Welt, und diese trägt bloß der Philosoph auf seinen Schultern“. Im Alter von 24 promoviert er in Erlangen mit einer Dissertation über „Die Unendlichkeit, Einheit und Allgemeinheit der Vernunft.“ wobei er die These Giordano Brunos und Hegels bekräftigt, dass die Wirklichkeit von einem einheitlichen Grundprinzip beherrscht ist. Er hält in Erlangen von 1829 bis 1832 als Privatdozent geschichtsphilosophische Vorlesungen. 1830 erscheint anonym sein erstes Buch, das ihn für alle Zeiten die Aussicht auf eine Professur verwehren wird. In Erlangen lebt er zurückgezogen, ganz in seine Wissenschaft vertieft. 1837 heiratet er Bertha Löw, Mitbesitzerin einer kleinen Porzellanfabrik und wohnt mit ihr im Schloss Bruckberg nahe Nürnberg und lebt weiterhin sehr zurückgezogen. 1838 beginnt Feuerbach, Aufsätze und Rezensionen für die Hallischen Jahrbücher zu schreiben. Die Jahrbücher sind das publizistische Organ der Junghegelianer, also u.a. von Bruno Bauer, Max Stirner, Karl Marx. Die Religionskritische Debatte wird angeregt durch das Buch des Tübinger Theologen David Friedrich Strauss „Das Leben Jesu“ das 1835 erscheint und die die historische Wahrheit der Evangeliengeschichten bestreitet. In dieser Zeit entsteht sein Hauptwerk „Das Wesen des Christentum“. 1844 stirbt seine Tochter Mathilde mit nur drei Jahren. Feuerbach hat 2 Kinder, die überlebende Eleonore lebt später in München unverheiratet und kinderlos (1839-1923). Die Tochter eines Freundes, Johanna Kapp verliebt sich unsterblich in Ludwig, der sich jedoch schließlich für seine Frau entscheidet, wobei diese Liebe die Beziehung der Eheleute sehr abkühlt.

Bei der Revolution von 1848 unterstützt er den Gedanken an die Demokratie und beginnt öffentliche Vorträge über Religionskritik in Heidelberg zu halten, wo er von Gottfried Keller auch bewundert wird. Keller sagt über Feuerbach, dass er die wichtigste historische Person in der Philosophie ist. Feuerbach erleidet eine Zeit der Resignation und Apathie, sein Wirken kommt ihm auf einmal sinnlos vor. Außerdem geht die Porzellanfabrik der Frau in Konkurs und er lebt von den Unterstützungen seiner Freunde. Von 1860 bis zu seinem Tode zieht er sich in Bruckberg bei Ansbach in der Nähe von Nürnberg zurück und stirbt dort verarmt.

Philosophie:

Feuerbachs Hauptfragen lauten: Was ist das Wesen des Christentums? Wie kommt der Mensch zu seinen religiösen Vorstellungen? Was ist das wirkliche Geheimnis seines Glaubens?

Gott ist für den Menschen wie ein Spiegel, mit dem Unterschied, dass der Mensch sich nicht bewusst ist, dass er dieses Spiegelbild selber erschaffen hat. Die Religion entzweit den Menschen mit sich selbst da er sein endliches Leben und sein unendliches trennt. Der unendliche Teil wird auf Gott projiziert und es bleibt ein mickriges endliches ich hier auf Erden zurück. Feuerbach will die Theologie in Anthropologie verwandeln. Für Feuerbach ist die Wahrheit nicht die Vernunft sondern der ganze Mensch aus Fleisch und Blut. Er verwirft bald den absoluten Geistesgedanken von Hegel mit der Begründung, dass es sich hierbei nicht um den Menschen handle sondern um den Geist Gottes. Er bekämpft das Absolute und die Spekulation, die er als „betrunkene Philosophie“ abtut. Er fordert, dass die Philosophie wieder nüchtern wird. Es geht ihm primär und nur um den Menschen, wie er sich im konkreten Dasein und in der Natur vorfindet“.

Er kann als Begründer der Anthropologie und des Atheismus angesehen werden und zeigt einige Züge der Existenzialisten auf. Es gibt für ihn nur eine Wirklichkeit und die ist Diesseitig, Mensch immanent und Gegenwärtig. Was den Menschen von den Tieren unterscheidet ist die Sinnlichkeit.

Für Feuerbach ist das Christentum im Verfallen begriffen. Warum glaubt der Mensch seit Jahrtausenden an einem oder mehreren Göttern? Die Antwort Feuerbach liegt im Abhängigkeitsgefühl des Menschen zur Vorstellung seiner Nichtigkeit und Ohnmacht und zur Erschaffung eines größeren geistigen Wesens gegenüber dem der Mensch hinaufsieht und demütig sein kann. Religion ist der in der Phantasie befriedigte Glückseligkeitstrieb des Menschen. Die Juden streben nach Macht, deshalb schaffen sie sich einen mächtigen Gott, die Christen streben nach Erlösung vom Diesseits und Trost, deshalb schaffen sie sich einen liebenden, erlösenden Gott. Für Feuerbach sind die Menschen jedoch nur von der Natur abhängig, sowohl von der äußeren als auch von der inneren Natur der Wünsche und Triebe. Die Religion ist ein Produkt des menschlichen Egoismus. Mit „Entfremdung“ meint Feuerbach die Tatsache, dass die Menschen einen Gott erschufen, der mit immer größeren Vollkommenheitsattributen ausgestattet wurde, soweit bis sie glaubten selbst von ihm erschaffen worden zu sein. Der Prozess der Projektion und Verabsolutierung hat nur dem Zweck gedient, dem Realitätsdruck entfliehen zu können. Religionen haben ursprünglich den gleichen Zweck erfüllt wie später die Wissenschaften. An die Stelle der Götter sollen die Menschen treten und an die Stelle der Religionen, die Bildung. Feuerbach meint, dass der Theismus eines Tages als destruktiv gelten wird während der Atheismus als konstruktiv erscheinen wird.

In seiner zukünftigen Vision der Philosophie, meint Feuerbach, er sei mit seiner Philosophie an einem Wendepunkt in der Geschichte angelangt, weil er alle theologische Philosophie und Spekulation überwunden hat. Für Feuerbach ist Liebe, die an den Glauben gebunden ist, engherzig und scheinheilig. Im Glauben erhofft sich der Mensch nur die Erfüllung eines Wunsches durch ein anderes Wesen. Nur die Liebe zu andere Menschen befreit ihn und macht ihn unsterblich. Nicht Gott hat die Menschen nach seinem Bilde erschaffen sondern die Menschen haben Gott zu ihrem Bild erschaffen. Das Gebet ist lediglich ein Selbstgespräch des Menschen mit sich selbst. Das wahre Wesen des Menschen ist, dass er selber der Meister seines Schicksals ist und solange er an einem oder mehreren Götter glaubt wird er sein Wesen nicht begreifen. Die Stimme des Gewissens ist der Stellvertreter der Glückseligkeit des anderen. Die Glückseligkeit ist die Basis für sittliches Handeln. Die vornehmste Aufgabe der Moral besteht darin, die eigene Glückseligkeit in Einklang mit den anderen Menschen zu bringen. Ludwig Feuerbach steht zwischen Hegelianismus und Materialismus.

„Das Wesen des Christentums (Zusammenfassung von Robert Zimmer):

Gott ist das, was sich der Mensch vorstellt. Albrecht Dürers Christus trägt Züge Albrecht Dürers selbst. Bereits die Sophisten erkannten das Problem. Xenophanes z.B. stellte schon fest, dass die Götter nach dem Ebenbild der Menschen gemacht werden. Feuerbach erklärte warum Religion menschlich ist und warum die Menschen die Schöpfer Gottes sind und nicht umgekehrt. Gott ist nichts anderes als eine Projektion des Menschen. Feuerbach verstand sich als Aufklärer und als Vollender der Reformation Luthers. Feuerbach verhilft dem Materiellen und Sinnlichen gegenüber dem Geistigen und Abstrakten wieder zu ihrem Recht und rückt den ganzen Menschen ins Zentrum der Betrachtung.

Für Hegel waren Denken und Sein im Grunde eins, daraus entwickelte Feuerbach die Überzeugung, dass Gott und Welt eine Einheit bilden (Pantheismus). Das Individuum kann nicht unsterblich sein, nur die Gattung ist unsterblich. Der Wunsch nach einem Weiterleben nach dem Tod ist eine Kompensation für die Mängel des diesseitigen Lebens.

Auf Feuerbach geht der Spruch zurück: Religion ist Opium für das Volk im Sinne eines subjektiven Trostmittels. Feuerbach wandte sich dem philosophischen Materialismus zu. Das „Wesen des Christentum“ ist die wichtigste Debatte um das Verhältnis zwischen Religion, Vernunft und Wirklichkeit. Er wollte dieses Werk ursprünglich „Kritik der reinen Unvernunft“ nennen um bewusst gegen Kant zu argumentieren. Die christliche Religion hat für Feuerbach ihre Wurzeln in der kollektiven Psyche des Menschen. Er gliederte das Buch in zwei große Teile. Im ersten Teil geht es um das wahre, menschliche Wesen der Religion. Im zweiten Teil geht es um das unwahre theologische Wesen der Religion, die die Widersprüche in der traditionellen Religionsauffassung aufzeigen. Das Werk beginnt mit dem Menschen. Der Mensch hat ein Bewusstsein von seinem eigenen Wesen und ist sich bewusst, dass er mit Vernunft Wille und Herz gekennzeichnet ist. Indem die Vernunft ein Objekt erfasst, erfasst sie gleichzeitig sich selbst. Auch das Gefühl für einen Gegenstand ist nichts anderes als das vergegenständlichte Gefühl. Das Gefühl ist das entscheidende Organ in der Religion. In der Religion zeigt sich das Selbstbewusstsein des Menschen, aber der Mensch beschreitet durch die Religion einen Umweg zu sich selbst, statt direkt ohne Religion zu sich selbst zu gelangen. Dieser Umweg durch einen jenseitigen Gott führt zur Entzweiung unseres Selbst und zur Entfremdung des Menschen. Die Eigenschaften, die wir Gott zusprechen, sind in Wahrheit ideale Eigenschaften der menschlichen Gattung. Der Gott der Philosophen ist reine Intelligenz, reine Vernunft. Der Gott der mit dem Menschen gefühlsmäßig verbunden ist kommt dort vor, wo es um Moral und Mitmenschlichkeit geht. Gott ist Fleisch geworden, er wird vollkommen vermenschlicht. Das Gegenüber das wir anbeten ist laut Feuerbach nichts anderes als unser eigenes Herz als Instanz der Liebe. Warum projiziert der Mensch die Vollkommenheit auf einen Gott? Weil er seine Unvollkommenheit Wett machen will.

Die Trennung zwischen Jenseits und Diesseits drückt aus, dass sich der Mensch als ein zerrissenes Wesen versteht. Essen und Trinken sind in einem neuen Sinn zum Mysterium des Abendmahls geworden. Das Brot, der Wein, das Wasser sollten uns heilig sein. Feuerbach ist für den Marxismus eine Brücke. Feuerbach gilt auch als Vater der modernen Religionskritik. In der Musik ließ sich Richard Wagner von Feuerbach inspirieren, in der Literatur war es Gottfried Keller und George Eliot, die das Wesen des Christentums ins Englische übersetzte. Feuerbach hat uns auf jeden Fall den Zusammenhang zwischen unseren religiösen Vorstellungen und unserer menschlichen Lebenswelt wie kein anderer zuvor, aufgezeigt.

Zitate und Textauszüge

Die Macht des Todes erscheint als eine blinde, kalte, gefühllose Macht, der es ebenso gleichgültig ist, ob er auf einen Klotz oder Menschen fällt. Und diese Macht wartet nicht etwa, wie der fromme Wahn wähnt – am wenigsten gilt dieser fromme Wahn bei jungen Wesen – , bis die Anlagen entwickelt, das Lebensvermögen angewandt ist. Nein! Sie zertritt die Knospe, noch ehe sie sich zur Blume entfaltet.

Über sein Leben in Erlangen als er ca. 25 Jahre alt ist:

Eine so ruhige, von der Natur umgebene Wohnung wie meine jetzige, vormittags ein Glas Wasser, mittags ein mäßiges Essen, abends ein Krug Bier und höchstens noch einen Rettich: wenn ich das immer so beisammen hätte, so wünsche ich mir nie mehr von und auf der Erde“. Darüber hinaus leistet er sich höchstens noch „den bei meinem vielen Sitzen unentbehrlichen Kaffee.

An seine Schwester schreibt er nach Erscheinen der „Gedanken über Tod und Unsterblichkeit“:

Ich stehe im Geruch, ein grässlicher Freigeist, ein Atheist, ja, noch nicht genug, der leibhaftige Antichrist zu sein.

Als er sich in seine Frau verliebt schreibt er:

Meine Seele war ein Abgrund, aus dem nur der Seufzer nach dir als das einzige Lebenszeichen zu meinen Ohren drang.

Feuerbach schreibt über die Bevorzugung der Zurückgezogenheit:

Das beste Leben in dieser Zeit ist das zurückgezogene; denn alle unsere sozialen Verhältnisse sind bei allem äußerlichen Schein von Solidität durch und durch verdorben.

Der erste Gegenstand des Menschen ist der Mensch

Der Mensch ist sich das Maß aller Dinge, aller Wirklichkeit“. Darum gilt es „den Menschen zur Sache der Philosophie zu machen.

Die Sinnlichkeit ist das Wesen des Menschen.

Wahrheit, Wirklichkeit und Sinnlichkeit sind identisch.

Ich bin vom Übersinnlichen zum Sinnlichen übergegangen, habe aus der Unwahrheit und Wesenlosigkeit des Übersinnlichen die Wahrheit des Sinnlichen abgeleitet.

Der Mensch soll das Christentum aufgeben, dann erst wird er Mensch.

Der Mensch ist der Anfang der Religion, der Mensch der Mittelpunkt der Religion, der Mensch das Ende der Religion.

Gott ist vielmehr „nur etwas in der Vorstellung, in der Einbildung, aber nichts in Wahrheit und Wirklichkeit.“

Gott ist das Ideal des menschlichen Wesens, angeschaut als ein selbständiges wirkliches Wesen. Er ist des Menschen „entäußertes Selbst“.

Was der Mensch nicht wirklich ist, aber zu sein wünscht, das macht er zu seinem Gotte oder das ist sein Gott..

Ein Gott ist der in der Phantasie befriedigte Glückseligkeitstrieb des Menschen.

Deine erste Pflicht ist, Dich selbst glücklich zu machen. Bist Du glücklich, so machst du auch andere glücklich. Der Glückliche kann nur Glücklich um sich sehen.

Mein erster Gedanke war Gott, mein zweiter die Vernunft, mein dritter und letzter der Mensch.

Wir haben bewiesen, dass der Inhalt und Gegenstand der Religion ein durchaus menschlicher ist, bewiesen, dass das Geheimnis der Theologie die Anthropologie, des göttlichen Wesens das menschliche Wesen ist.

Nur der arme Mensch hat einen reichen Gott.

Das Jenseits ist das im Bilde angeschaute, von aller groben Materie gereinigte – verschönerte Diesseits.

Hauptwerke

1830 Gedanken über Tod und Unsterblichkeit

1841 Das Wesen des Christentums

1843 Grundsätze der Philosophie der Zukunft.

Internetrecherchen

http://www.ludwig-feuerbach.de/

http://de.wikipedia.org/wiki/Ludwig_Feuerbach

Quellennachweis

Weischedel, Wilhelm: Die philosophische Hintertreppe. 34 große Philosophen in Alltag und Denken. Ungekürzte Ausgabe. München, DTV, 17. Auflage, 1988. (Seiten 238-247)

Poller, Horst: Die Philosophen und ihre Kerngedanken. Ein geschichtlicher Überblick. Olzog Verlag München, 2005. (Seiten 313-315)

Grabner-Haider, Anton: Die wichtigsten Philosophen. Marix Verlag, Wiesbaden, 2006. (177-181)

Zimmer, Robert: Das neue Philosophenportal. Ein Schlüssel zu klassischen Werken. DTV, München, 2007. (Seiten: 158-171)

Spierling, Volker: Kleine Geschichte der Philosophie. Große Denker von der Antike bis zur Gegenwart. Erweiterte Neuausgabe. Piper, München, 2006. (Seiten: 267-271)

Gedanken zur Philosophie Ludwig Feuerbachs

Selbst wenn Gott eine Projektion unserer Liebe, Moral und eigenen Vollkommenheit widerspiegelt, selbst wenn Gott unsere Vorstellungen von uns selbst wiedergibt, warum widerspiegeln wir in Gott dann nicht das Böse, sondern nur das Gute, Schöne, Sittenhafte? Wie ich es verstanden hab, geht es Feuerbach darum, den Menschen in seinem konkreten Menschsein aufzuwerten. Was macht das für einen Unterschied ob ich an mich oder an Gott glaube? Der Umweg über dem Jenseitsglauben ist ja gar kein Umweg. Denn wir wissen nicht was uns nach dem Tod erwartet, wir wissen genau genommen nicht einmal genau was uns in unmittelbarer Zukunft erwarten wird. D.h. alles was ich nicht weiß projiziere ich auf Gott. Was gibt es schöneres als sich einzubilden, da wäre jemand dem man vertrauen kann? Der Mensch ist sich selbst nicht genug. Er will nicht nur für sich selbst leben und Feuerbach hat schon Recht wenn er sagt, dass die Kinder zunächst die Eltern als Götter ansehen. Sobald ich Erwachsen bin und nicht mehr an die Überlegenheit und Allmacht meiner Eltern oder meiner Mitmenschen glauben kann, entwickle ich ein Bedürfnis an jemanden zu glauben der weit über meine Person steht. Ich habe zwei Möglichkeiten: die erste geht dahin, dass ich mich selbst als Gott betrachte, bewusst, ohne Gott von mir zu extrapolieren. Die zweite ist Feuerbachs These, dass ich mich entzweie und meine Wunschvorstellungen in einem Gott außer mir projiziere. Für mich ist aber beides dasselbe. Denn selbst wenn ich an einem Gott außerhalb von mir denke, bin noch immer ich diejenige die das gedacht hat. Ich würde sagen, dass ein Extrapolieren Gottes oberflächlicher ist, als Gott in sich selbst zu suchen, sich selbst als Gott zu sehen. Wenn ich mich als Gott sehe, dann ist das für mich der direkteste Weg zur menschlichen Vollkommenheit und absoluten Aufwertung meines Selbst. Das Problem ist, dass kein Mensch vollkommen sein will. Das würde nämlich bedeuten, dass ich allen anderen überlegen bin und somit einsam, ich könnte nie jemanden um Rat fragen, ich würde nie Fehler machen, ich müsste mich nie rechtfertigen, ich wüsste alles. Ist das wirklich erstrebenswert für einen Menschen? Die Wendung „Opium für das Volk“, die ich ursprünglich Karl Marx zugewiesen habe, hat mir auch lange Zeit gefallen. Ich glaubte lange Zeit und auch heute noch daran, dass viele Menschen in der Religion nur eine Flucht aus ihrer Verantwortungspflicht suchen. Viele denken, Gott wird sie schon lenken und sie bräuchten nur Opfer zu bringen und zu beten. Andererseits stell ich mir schon öfter die Frage wo das enden würde, wenn es keine Religionen gäbe. Die Wissenschaft ist unzureichend zur Befriedigung unserer Sehnsüchte, ich höre immer wieder von Wissenschaftler, dass das was sie machen und denken nicht alles ist, das es noch etwas geben muss. Der Fortschrittsgedanke, die Forschung ist ja auch etwas nicht abgeschlossenes, nicht Fertiges, also kann die Wissenschaft unmöglich an die Stelle Gottes treten.

Wenn ich an Gott denke und die Religion oder den Glauben auch spüre, dann merke ich, dass dieser Glaube keine Rationalität zulässt. Sobald ich rational werde, ist Gott zwar noch da aber hat nichts mit meinen rationalen Gedanken zu tun.

Gott ist für mich der Inbegriff der Stärkung meines Selbst. Er bestärkt mich in meinem Sein. Er beruhigt mich mit seiner Vertrauenswürdigkeit. Kann ich Gott einfangen? In Worten, im Gefühl, in meine Gedanken? Was passiert, wenn ich jetzt bewusst über diese meine Empfindungen die ich habe, immer wenn ich an Gott denke, berichten will, schreiben will? Was passiert mit diesem Gottesgefühl? Dieses Gottesgefühl ist da, bleibt unverändert bestehen. Ich könnte jetzt behaupten, dieses Gefühl gehört zu meinem Wesen, ich kann das nicht so trennen von mir selbst, und doch kann ich sagen, dass wenn Gott da ist, mein Bewusstsein stärker gegenwärtig ist, ich fühl mich wacher, frischer, geliebter, mutiger. Sobald ich etwas tue, wie mit andere Menschen reden, sobald sich ein Gedanke einschleicht, der mich peinigt, ist dieses Gefühl des stärkeren Bewusstseins wieder weg. Sobald ich in Gewohnheiten des Geistes eingefangen bin oder schmerzvolle Gefühle habe, bleibt mir nichts anderes über als in einem Dialog mit Gott zu treten, denn dann ruhe ich nicht mehr in mir. Störungen. Dieses stärkere Bewusstsein, dieses offenere, liebevolleres Bewusstsein erfordert Konzentration und Kraft, Energie, bewusstes daran denken. Andererseits stellt sich diese erhöhte Konzentration manchmal auch von selbst ein, oder wenn die Verzweiflung der Ohnmacht gegenüber einem Problem so groß ist, dass schon der Gedanke an das Wort „Gott“ Linderung bringt. Nur darf ich nicht übersehen, dass es mir heute seelisch gut geht, ich bin heute relativ zufrieden mit mir, ich hab auch unmittelbar keine Naturkatastrophe erlebt und auch keinen Schicksalsschlag. Es ist heute niemand gestorben mit dem ich eine Beziehung habe, zumindest weiß ich nichts davon, ich befinde mich in meinem warmen Zuhause und die Zukunft schaut für mich auch sehr positiv nach der objektiven Sicht zu urteilen aus. Diese Prämissen beeinflussen sicherlich meine Gedanken und Gefühle die ich hier heute aufschreibe. Gestern hatte ich z.B. so eine Wut, dass von mir nur schlechte Wörter zu lesen waren, ich habe ein paar Seiten geschrieben und es hat mich zerrissen zwischen Gut und Böse sein. Da kommt dann auch wieder eine andere Sicht der Dinge raus. Ich glaubte auch gestern an Gott, aber die starken Gefühlsregungen und die Unmittelbarkeit der Sorgen haben dafür gesorgt, dass ich den Glauben nicht unmittelbar annehmen konnte und fühlen konnte, so wie ich ihn heute fühle.

Gott ist nicht gleich Glaube. Es ist ein großer Unterschied ob ich jetzt von Gott, von Religion oder von Glauben spreche. Gott ist für mich viel klarer als Glaube oder Religion. Wenn ich eine Hierarchie bilden müsste dann käme an erster Stelle Gott, dann lange nichts, dann der Glaube, dann lange nichts und an letzter Stelle die Religion. Gott hat für mich nicht unmittelbar mit Religion oder Glaube zu tun. Erst in einem größeren Zusammenhang. Gott ist für mich der reinste, klarste, tiefste, am meisten beruhigende, vollste Gedanke und Gefühl, das ich haben kann. Wenn ich Gott beschreiben müsste, dann würde ich ihn als eine Kraft in mir beschreiben die mein Geist und meinen Körper dorthin bringt wo ich sein kann, dorthin wo ich sein will und dorthin wo ich ja schon bin. Gott repariert mich so dass ich mich ganz fühle, als einen Teil in dieser mich umgebenden Welt. Auf einmal ist alles wieder am richtigen Platz und ich weiß wer ich bin und ich weiß, dass ich meistens der bin der ich bin. Wenn ich es nicht bin, dann weil in dem Moment, in dem ich mir einbilde nicht vollkommen zu sein ich mir es eigentlich nur über meine Vergangenheit einbilde.

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