Über die Schuld*

Schuldzuweisungen – Schulden – Rechtfertigungen – schlechtes Gewissen – christliche Religion – Schuldscheine – Zinsen – Schuldbekenntnis – Reue – colpa/colpo – jemandem etwas schulden.

Selbst wenn der Mensch sich zu 100 % konzentriert und zu 100 % seiner selbst bewusst ist, also Selbstbewusstsein hat, sogar wenn er es gut meint mit sich und anderen, wird er nicht umhin kommen, von irgendjemandem schuldig gesprochen zu werden.

Sobald es um die Schuldfrage geht, verengt sich der Blick für das humanitäre Verständnis. Schuld aus Unachtsamkeit. Aber wie kann man ständig nur achtsam sein? Das geht nicht. Schuld führt in eine Abwärtsspirale, die immer enger wird bis entweder der Schmerz groß wird und man das Leben nicht mehr wertschätzen kann, was wiederum zu Schuld führt oder, wie es 99 % der Menschen tun, man gibt die Schuld jemand anderem, die Schuld für das eigene Versagen, für das eigene Unwohlsein, für die eigenen Fehler. Denn es wird alles als negativ angesehen, was nicht achtsam und bewusst gut gemacht wird. In einer solchen perfekt ausgedachten Welt kann keiner leben, will keiner leben, und deshalb wird es immer Schuldige geben.

Man stelle sich eine Welt ohne das Wort Schuld vor?!

Wer bestimmt, wer gibt eigentlich vor, was Schuld ist? Wann man sich schuldig macht? Und ändert sich das nicht im Laufe der Geschichte? Ist Schuld nicht verbunden mit Konventionen, moralischen, von Menschen erdachten Richtlinien wie man leben soll und was sich gehört oder nicht? Wird „Schuld“ nicht oft als Machtmittel benutzt um Macht über einen Schuldigen zu erlangen?

Im Italienischen heißt Schuld: colpa, männlich colpo. Colpo heißt Schlag. Colpevole: jemand der geschlagen werden soll.

Schuld verhindert jedweden Mut, etwas Eigenes auszudenken und zu erschaffen, ja sich überhaupt zu bewegen, denn man könnte bei jedem eigenen Schritt Schuld auf sich laden. Wenn man vom schlechten Gewissen absieht, das uns unter anderem die katholische Kirche wegen vieler kleiner moralisch fragwürdiger Missetaten jahrelang eingeredet hat, wie Selbstbefriedigung als Teufelszeug oder das Fluchen und sogar das Erkennen von Dingen (Adam und Eva) – wobei man darüber nachdenken sollte, warum Erkenntnis Schuld auf sich lädt -, dann fragt man sich, was Schuld überhaupt bedeutet?

Schuld ist ein Wort, das mit viel Aberglauben besetzt ist. Man denke an die Hexenprozesse, an die Judenverfolgungen, an all die Menschen, die verfolgt wurden, weil sie angeblich an etwas Schuld waren, sich schuldig gemacht haben. Sogar Gott wird schuldig gesprochen, wenn es nicht so läuft, wie es einem genehm ist.

In der Politik heute ist die Schuldfrage sehr präsent, da ist jedes Mittel recht, den Gegner zu beschuldigen, eine falsche Politik zu verfolgen.

Schuld an dem Klimawandel sind die Abgase, die Rodungen, der Plastikmüll usw. Und wenn der Mensch nicht am Klimawandel schuldig sein will, dann muss er mit dem Fahrrad fahren oder zu Fuß gehen, jeglichen Müll vermeiden.

Schuld an den Armen sind die Reichen.

Schuld an den Dünnen sind die Dicken.

Schuld an den Kriegen sind die Politiker und

Schuld an den Krankheiten sind die Viren.

Könnte man nicht statt dieses moralisch besetzten Wortes eher Ursache und Wirkung einsetzen, etwas rationaler darüber nachdenken? Dies geschieht bereits seit langem, außer im sozialen und politischen Bereich.

* Schuld: Als altgerm. Substantivbildung zu dem unter „sollen“ behandelten Verb bezeichnet mhg. Schulde, schult, ahd. sculd[a], niederl. Schuld, aengl. Scyld, schwed. Skuld zunächst die rechtliche Verpflichtung zu einer Leistung (Abgabe, Dienst, Strafe und dgl.). Denselben Sinn zeigen verwandte balt. Wörter, z.B. lit. Skolà „Geldschuld“, skìlti „in Schulden geraten“. Aus der Bedeutung „Verpflichtung zur Buße“ erwächst schon in ahd. Zeit die Bedeutung „Vergehen, Übeltat, Sünde“, die im rechtlichen und religiösen Bereich gilt und daneben im allgemeinen Sinn zu „Ursache, Grund [für Unangenehmes oder Schädliches]“ verblasst. In „Schuld haben, schuld sein“ wird das dt. Substantiv seit dem 17. Jh. als Adjektiv in aussagender Stellung gebraucht. (DUDEN-Herkunftswörterbuch)

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